Die AfD und Inflationsängste: Negativ-Framing und Feindbilder

Die Deutschen sorgen sich seit geraumer Zeit vor der Inflation und den damit einhergehenden steigenden Lebenserhaltungskosten. Die Zusammenhänge zwischen Inflation und Einkommen sind laut dem Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Institut somit weitestgehend linear: Je geringer das Einkommen, desto größer die Sorge vor steigenden Preisen oder sonstigen wirtschaftlichen Faktoren. Gleichzeitig erlebt die politische Landschaft einen noch nie gesehenen Rechtsruck. Laut der Sonntagsumfrage von Infratest dimap gaben 19% der Befragten an, die AfD wählen zu wollen, falls am 01.02.2024 Bundestagswahl wäre. Die Ängste der Menschen scheinen das Vertrauen in die Politik schwinden zu lassen. Angst im politischen Kontext steigert Interesse und Wahlbeteiligung, besonders bei bereits politisch engagierten Wähler*innen. Sie mindert Parteibindung, verstärkt kurzfristige Orientierungen und kann zu einem Zuspruch zu rechten Parteien führen. Dies zeigt sich eindeutig am Beispiel der AfD, deren Wähler*innen im Vergleich zum Rest der Bevölkerung deutlich größere Abstiegs- und Zukunftsängste haben. Außerdem zeigen Studien, dass besonders Angehörige sozio-ökonomisch schwächer gestellter Gruppen dazu neigen, die AfD zu wählen.

Der Zusammenhang zwischen Rechtsruck und Inflation

Um mehr über den Zusammenhang zwischen dem Aufstieg der AfD und der Inflationskrise herauszufinden, untersuchte ich die Strategie, mit welcher die AfD die Inflationskrise bis Sommer 2023 nutzte, um ihre Popularität zu steigern. Dabei wurde anhand der Analyse eines Dokumentationsfilms der AfD-Bundestagsfraktion, drei Reden von AfD-Politiker*innen und neun verschiedener Instagram-Posts präzisiert, wie die Partei die mit Inflation verbundenen Ängste und Besorgnisse der Menschen geschickt anspricht und schürt. Dabei nutzte ich aufbauend auf einer Inhaltsangabe und Feinanalyse die Methodik einer Strukturanalyse. Der Dokumentarfilm der AfD-Bundestagsfraktion handelt so beispielsweise maßgeblich von drei Bürger*innen aus Deutschland, die auf verschiedene Art und Weise von der Inflation betroffen sind und sich vom Staat im Stich gelassen fühlen. Peter Boehringer, Haushaltspolitischer Sprecher der AfD im Bundestag, René Springer, Arbeits- und sozialpolitischer Sprecher der AfD-Bundestagsfraktion so wie Kai Gottschalk, finanzpolitischer Sprecher der AfD-Bundestagsfraktion, gehen auf die Problematiken der Protagonisten ein und erläutern die Lösungsansätze der AfD und das Versagen politischer Akteure in Bezug auf die wachsende Inflation. In der Feinanalyse konnte ich zeigen, dass durch die äußerst negative Darstellung der Situation, nicht zuletzt auch durch die bedrohliche Hintergrundmusik, Angst-Gefühle hervorgerufen werden. Die Geschichten der arbeitsunfähigen Frau Jacqueline, der Taxifahrerin Manuela Hentschel und dem Koch Oliver Wegner sollen das Publikum auf emotionale Art und Weise ansprechen, wodurch Mitleid mit den von der Inflation Betroffenen erzeugt werden soll. Alle drei geben das Bild „rechtschaffender Bürger“ wieder, die aber trotz ihres Fleißes nicht mehr von ihrer Arbeit leben können. Mit Aussagen wie „Die eigenen Bürger werden vom Staat im Stich gelassen. Und man sieht in der Prioritätensetzung, die sich nicht nachvollziehen lässt, dass Geld für allerlei Projekte da ist“ und Fragen wie „…wo ist der Staat?“  wird das Im-Stich-Gelassen-Fühlen und damit auch das Versagen des Staates betont. 

Die (wieder einmal) zerschlagenen Scheiben des Büros der Grünen in Bayreuth

Negativ-Framing und Feindbilder

Darüber hinaus betreibt die Dokumentation negativ-Framing gegenüber verschiedenen politischen Akteuren. „Hauptsündenböcke“ sind dabei die Bundesregierung und die Altparteien: „Deshalb ist Inflation das Asozialste, was es gibt. Und gerade die linken Parteien, das sind ja fast alle hier im Haus, behaupten so sozial zu sein, aber das ist asozial, indem sie die Inflation befeuern.“ Auch Einwanderung und Ausländer*innen werden in negatives Licht gerückt. So beklagt sich Jacqueline, dass die Menschen im eigenen Land vergessen werden, während Menschen mit Migrationshintergrund grenzenlose Hilfe zugesagt wird. Im Kontrast zu all dem negativ-Framing wird die AfD selbst als „Retter-Partei“ dargestellt, die sich auf das eigene Volk fokussiert. Mit Sätzen wie „…denn nur die AfD kümmert sich darum“, wird suggeriert, dass die AfD die einzige Partei ist, die die Ängste und Sorgen der Menschen ernst nimmt und anpackt. Die „Wir-sind-einer-von-euch“ – Mentalität wird außerdem wie folgt von Kai Gottschalk ausgedrückt: „Ich habe im richtigen Leben ein Doppelstudium gemacht, gearbeitet auch, also nicht wie mancher so hier, Kreißsaal, Hörsaal, Plenarsaal. Sondern ich habe wirklich auch gearbeitet, und ich glaube, ich weiß, was heißt, für sein Geld zu arbeiten, Rechnungen zu bezahlen.“ Außerdem werden mehrfach verschiedene Projekte und Anträge erwähnt, die die Unter- und Mittelschicht in den Fokus gerückt haben sollen. 

Die AfD als Retterin in der Not?

Dieses Beispiel, sowie die Analyse der Reden und Instagram-Posts zeigen die verschiedenen rhetorischen Strategien, die die AfD sich aneignet um die gesellschaftliche Unzufriedenheit durch Inflation für ihre Zwecke zu nutzen. Negatives Framing und die Schaffung von Feindbildern sind dabei zentrale Elemente. Der Staat, die Bundesregierung und die “Altparteien” werden durchweg negativ dargestellt, wobei politische Entscheidungsträger*innen für die Inflation verantwortlich gemacht werden. Die AfD positioniert sich dabei als Retterin vor diesem als inkompetent gezeichneten Establishment. Ein weiterer Fokus liegt auf der Einwanderungsthematik. Die AfD suggeriert, dass Gelder falsch priorisiert und die Bedürfnisse der eigenen Bevölkerung vernachlässigt werden. Die Partei inszeniert sich als einzige, die die wirtschaftlichen und sozialen Aspekte der Inflation ernsthaft angeht. Dabei werden besonders die Unter- und Mittelschicht als von der Krise bedroht hervorgehoben. Die AfD setzt zudem auf emotionale Ansprache, Angst und Dringlichkeit. Mithilfe von rhetorischen Mitteln wie dem Bild des halb leeren Einkaufswagens oder persönlichen Geschichten von Bürger*innen wird eine Atmosphäre der Dringlichkeit und Not erzeugt. Durch Sätze wie “Deutschland steuert in den schwersten Sturm seit Bestehen der Bundesrepublik” versucht die AfD, Ängste zu adressieren und zu verstärken, um ihre politische Agenda zu fördern.

Die AfD forciert also das Thema der Angst und die durch die Inflation verursachte Not in vielen (v.a. sozialen) Medien. Die Sorgen werden aktiv emotional angesprochen. Durch die Betonung der Bedrohung für den Unter- und Mittelstand werden gezielt die Menschen angesprochen, die am meisten von der Inflation betroffen sind und diese gleichzeitig auch am meisten fürchten. Genau diese Bevölkerungsgruppe ist es schließlich auch, die die AfD vermehrt wählt. Außerdem werden frühere und derzeitige politische Akteur*innen an den Pranger gestellt für die Inflation und die wirtschaftliche Situation der Menschen verantwortlich zu sein. Mit der Regierung als Feindbild wird die eigene Partei als Retterin in der Not dargestellt. Dies tut die AfD, indem sie rhetorische Strategien geschickt nutzt, um sich als „Partei des kleinen Mannes“ darzustellen, welche die Ängste und Sorgen der Menschen wahrnimmt und angeht. Es bleibt spannend, zu beobachten inwiefern das Thema auch bei abnehmenden Inflationszahlen dieser Partei nutzen kann. 

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